„Precision Farming bietet viel Potenzial!“

Ludger Obermann (25) studiert im dritten Semester „Precision Farming“ – einen neuen Studiengang der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe. Wie es zu seinem Interesse an der digitalen Landwirtschaft kam, erzählt er uns im Interview.

Text und Fotos: Karl-Heinrich Schleef

Ludger, du bist auf dem landwirtschaftlichen Betrieb deiner Eltern aufgewachsen. Womit arbeitet ihr?

Zu Hause betreiben wir Ackerbau und Landwirtschaftliche Dienstleistungen im Nebenerwerb, unsere Haupterwerbsquelle sind forstwirtschaftliche Dienstleistungen. Dadurch war ich von Beginn an mit der Landwirtschaft in Berührung. Mein damaliges Schulpraktikum habe ich hier in der Nachbarschaft in einem Ökobetrieb nach Bioland-Zertifizierung gemacht. Nach dem Abitur 2013 hatte ich Lust auf Farmarbeit im Ausland.

Wohin sollte es denn gehen?

Nach Kanada. Alles war schon vorbereitet: Das Visum beantragt, eine Farm ausfindig gemacht, auf der ich arbeiten wollte. Dann kam mir ein Sportunfall dazwischen. Mit einer schweren Verletzung an der rechten Schulter.

Hattest du einen Plan B? 

Nun, da musste ich umdenken und habe mich dann kurzerhand entschieden, an der Georg-August-Universität in Göttingen Agrarwissenschaften zu studieren. Nach einem Jahr an der Uni habe ich es dann im Rahmen des Studiums doch noch ins Ausland geschafft: Für ein Praktikum nach Lettland!

Welche Erfahrungen konntest du da mitnehmen?

Ich arbeitete dort auf einem Ökobetrieb mit etwa 3.000 ha in der Bewirtschaftung. Hier wurde fast alles manuell gemacht: Keine Auftragsverwaltung, keine Digitalisierung. Und ich dachte mir: Das frisst alles so viel Zeit, ich fahre und telefoniere die ganze Zeit durch die Gegend - das muss doch irgendwie besser gehen ...! Als ich nach Deutschland zurückkam, brach ich mein Studium ab. Ich wollte mehr über die technischen Möglichkeiten in der Landwirtschaft herausfinden. In Göttingen ging es eher selten um diese Themen.

"Und ich dachte mir: Das frisst alles so viel Zeit, ich fahre und telefoniere durch die Gegend - das muss doch irgendwie besser gehen ...!"

Ludger Obermann, Student Precision Farming

Wie bist du das angegangen?

Zuerst bin ich nochmal für ein paar Monate zurück nach Lettland. Die suchten auf dem Hof für den Übergang eine Assistenz der Betriebsleitung. Ich bin da eingesprungen und übernahm mit einem Mal sehr viel Verantwortung. Die Planung und Optimierung fand ich besonders interessant: Welcher Mitarbeiter arbeitet mit welcher Maschine wann am besten auf welcher Fläche? Und vor allem: Welche Möglichkeiten gibt es, das optimal miteinander zu verbinden? Mir wurde klar, um das herauszufinden, muss ich noch viel dazu lernen.

2015 fing ich dann eine Ausbildung in einem konventionellen Ackerbaubetrieb in Bielefeld an: Ackerbau, Biogas und Schweinemast. Dort machte ich direkt im ersten Ausbildungsjahr Bekanntschaft mit der Digitalisierung in der Landwirtschaft, also „Precision Farming“. Der Betrieb war diesem neuen Bereich gegenüber sehr aufgeschlossen und hat viel ausprobiert. So lernte ich zunächst das Lenksystem „AutoTrac Universal“ kennen. Später arbeiteten wir mit einem gewöhnlichen Bildschirm in der Kabine und einer GPS-Applikation. Unser Ziel:  Die teilflächenspezifische Düngung mit Düngerstreuer und 27 Meter Arbeitsbreite. Ein Crop Sensor hat vorne an der Maschine den Chlorophyllgehalt der Pflanze gemessen und errechnete so die optimale Verteilung des Düngers.

Wie fühlte sich das an?

Ich war begeistert. Nicht nur, weil ich immer noch mit den Nachwirkungen meines Unfalls zu kämpfen hatte und mir die Schulter noch zu schaffen machte, obendrein lässt meine Sehkraft auf einem Auge zu wünschen übrig. Da kommt mir ein Fahrsystem offen gestanden entgegen. Ganz zu schweigen von dem großen Vorteil, was eine Maschine mit Hilfe von Daten leisten kann. Ich als Mensch kann das nicht. Es sei denn, ich steige für jede Pflanze aus der Kabine und schaue mir genau an, was sie von mir braucht. Die Maschine erleichtert meine Arbeit und macht das Ergebnis noch ein ganzes Stück besser.

"Ich als Mensch kann das nicht. Es sei denn, ich steige für jede Pflanze aus der Kabine und schaue mir genau an, was sie von mir braucht."

Ludger Obermann,Student Precision Farming

Du bist einer der ersten, der Precision Farming studiert. Wie bist du dazu gekommen?

Das war pures Glück. Ich war mir nach der Ausbildung immer noch sicher, dass ich dazu lernen will. 2018 dann habe ich zufällig in einen Fernsehbeitrag über Precision Farming reingeschaltet. Da war dann auch die Rede von dem damals brandneuen Studiengang. 

Nach einer kurzen Recherche in Internet war mir war sofort klar: Das will ich machen! Gesagt, getan - Seit September 2018 bin ich mit 15 anderen Studenten und Studentinnen einer der ersten „Precision Farmer“, an der Technischen Hochschule in Ostwestfalen-Lippe. Im Prinzip gibt es drei Schwerpunkte: Agrarwissenschaften, Informatik und Maschinenautomatisierung. Der Studiengang ist sehr praxisnah.

Wie genau arbeitet ihr da?

Die Hochschule befasst sich mit aktuellen Problemstellungen der Landwirte. Da werden sich Betriebe angeschaut, nachgefragt, Fragestellungen entwickelt und wir versuchen, die Lösung zu finden. Zurzeit arbeite ich an einem praktischen Anwendungsprojekt zur Analyse von Pflanzenstress zu Schädlingen im Mais

"Für Betriebe, Dienstleister und Hersteller gibt es in dem Bereich Precision Farming noch eine Menge Potential, zusammen zu arbeiten. Bisher kocht da jeder sein eigenes Süppchen."

Ludger Obermann, Student Precision Farming

Wie soll es nach dem Bachelor-Studiengang weitergehen?

Ich bin mir für mich nicht sicher, ob ein weiterführender Masterstudiengang für diesen Bereich das richtige für mich ist. Fest steht für mich eins: Ich bin nicht für Schreibtischarbeit gemacht, ich will wieder raus aufs Feld. Für mich persönlich geht es deswegen wahrscheinlich in eine praktische Richtung. Ich könnte mir auch vorstellen, in die Beratung zu gehen. Für Betriebe, Dienstleister und Hersteller gibt es in dem Bereich noch eine Menge Potential, zusammen zu arbeiten. Bisher kocht da jeder sein eigenes Süppchen. Spannend bleibt es ja ohnehin. Wer weiß schon, zu welcher Intelligenz Maschinen in 20 Jahren fähig sind?

Quelle: JOHN DEERE